Süleyman I, der einst über ein riesiges Reich herrschte, stellte sich eines Tages die Frage, aus welchen Gründen ein Staat wohl untergehe könne. Diese Frage richtete er hilfesuchend an den Sufi-Meister Yahya Efendi, der in einem Brief lediglich antwortete: ,Was geht mich das an?’
Anstelle ihn zu bestrafen, wie es Despoten und Tyrannen üblicherweise tun, suchte Süleyman den Sheikh auf und wollte den tieferen Sinn hinter der knappen, scheinbar respektlosen Antwort erfahren.
Sheikh Yahya Efendi erklärte nun: „Wenn die Unterdrückung sich in einem Staat ausbreitet, die Ungerechtigkeit offenkundig wird und diejenigen, die davon hören, sagen: .Was geht mich das an?’, und zusätzlich die Schafe nicht von den Wölfen, sondern von den Hirten gefressen werden und diejenigen, die das wissen, schweigend vorübergehen; wenn der Hilferuf der Armen, Bedürftigen, der Alleinstehenden zum Himmel hinaufsteigt, und niemand außer den Steinen diesen Hilferuf vernimmt – nun, dann geht ein Staat unter. […] All diese Dinge fangen damit an, dass man sagt ,Was geht mich das an’. Deshalb ist es erforderlich, ,Was geht mich das an’ nicht zu sagen.“
Obwohl es im Sufismus / tasawwuf eigentlich üblich ist, sich weniger mit tagespolitischen Themen zu beschäftigen, drängt sich diese Geschichte über Sheikh Yahya Efendi aktuell auf. Die weltpolitischen Wetterlage ist dazu angetan, einen wichtigen Rat nicht aus den Augen zu verlieren, den Mullah Nasrudduin seinen Schülern einst gab. Einer der Schüler Mullah Nasruddins fragte:
„Welche Leistung ist höher zu achten: die eines Sultans, der ein fremdes Land erobert hat, die eines Sultans, der es hätte tun können, aber darauf verzichtete, oder die eines Mannes, der einen Sultan davon abgehalten hat?“
„Keine Ahnung“, sagte der Mullah, „aber ich kenne eine Aufgabe, die noch schwieriger ist als alle drei zusammen.“
„Und welche ist das?“
„Euch beizubringen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.“
Es scheint dringlich angeraten zu sein, sich nicht unbedingt erbsenzählerisch auf die doch zahlreichen ,Verfehlungen’ und Peinlichkeiten von Staatsführern zu konzentrieren, nicht in die Falle zu tappen und sich nicht auf eine emotionsgeladene Ebene der Auseinandersetzung zu begeben, sondern die Essenz aus Nasruddins Antwort zu bedenken.
Die Situation bietet sich gerade dazu an, eine bestimmte Übung / vazifa zu praktizieren. Die Kombination zweier ,Namen Gottes’ ya – mumit (der den Tod bringt, der sterben lässt)- ya – muhyi ( der Lebendigmachende, der neues Leben gibt) ist Ausdruck der augenblicklichen Lage und hilfreich um Balance in diesen turbulenten Zeiten zu gewinnen
Althergebrachtes, das den Anschein erweckte, es würde für immer bestehen, verliert täglich an Gültigkeit. Dinge, die man vorher nicht für möglich gehalten hatte, geschehen in einer Art Selbstverständlichkeit, die einen staunen lässt. Eine Ära neigt sich dem Ende zu und vergeht. Einerseits scheint es sich um einen Todeskampf zu handeln, der einen realen Sterben vorangeht, andererseits ist der Hauch des Lebendigen und der Wiedererweckung zu spüren. Dazu bedarf es jedoch des Tuns.
„Wenn sich der Mensch erst einmal hinsetzt, ist es ihm kein Leichtes, wieder aufzustehen. Wenn sich jemand nicht bewegt, wird er träge. Wenn er träge wird, fängt er an, leere Worte zu sprechen, die leeren Worte wandeln sich ins Lästern. Und wenn das Lästern beginnt, bessert ihn auch das Gute nicht mehr. Der Freund wird zum Feind und der Feind zum Raubtier.“
„Bilde dich, wirke! Jede Sekunde deines Lebens ist sehr kostbar. Jeder Augenblick ist eine Möglichkeit, dich und das Schicksal zu verändern. Glaube nicht, was du tust, spiele keine Rolle – nein! Du bist das Ganze! Du bist der Ozean, der sich in einem Regentropfen zeigt. Sage nicht: ,Was ist schon dabei, wenn ich dies und jenes einmal nicht mache?’ Das ist dumm. Du musst wissen, dass alles, was du tust, sich auf dich und dein Leben auswirkt. Deine Aktivitäten erweitern entweder deinen Horizont oder sie schränken ihn ein. Doch wenn du dich hinsetzt, ist dies der Beginn der Dekadenz. Selbst wenn du reich und vermögend bist, selbst wenn du glücklich bist, arbeite! Arbeite daran, dass alle es so gut haben wie du!“
„Vergesse niemals: Lasse die Menschen gedeihen, auf dass der Staat gedeihen kann.“ Zitate des Sufi-Sheikhs Edebali