Lebendiges Atmen

„Durch die Praxis des Dhikr (Erinnern Gottes) erwecken die Sufis bestimmte Zentren, die die Art und Weise steuern, wie der mind den Körper beeinflußt, und die sonst in einem schlummernden Zustand blieben … Wir erheben uns mittels des Atems wie mit einem Aufzug zu den höheren Ebenen der Existenz, halten uns dabei an dem Seil, das der physische Körper ist, fest und kehren wieder zum Erdgeschoß zurück.“ (Hazrat Inayat Khan – Spiritual Liberty)

Es sind überzeugende Berichte erhalten, aus denen hervorgeht, dass Hazrat Inayat Khan zu seinen Lebzeiten für „Neuanfänger“ unter seinen Schüler*innen / murids im ersten „Lehrjahr“ bei spirituellen Übungen (vazifa /vazaïf) ausschließlich auf Atemübungen setzte. Die Übungen mit den Namen Gottes (asma ul husna) erfolgten, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt der Schulung.

Den Zweck der Atemübungen vergleicht Hazrat Inayat Khan mit dem Aufziehen einer Uhr, die einmal aufgezogen, ohne Antrieb weiter laufe.  Es würden durch die Übungen im Körper Kanäle geöffnet und gereinigt. Beides sei eine Voraussetzung für eine erfolgreiche, weitergehende spirituelle Arbeit.

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Eins schreiben

Ein Junge wurde eingeschult. Zusammen mit den anderen Kindern bekam er seinen ersten Unterricht. Die erste Aufgabe bestand darin, eine grade Linie zu ziehen: die Ziffer „Eins“.

Aber als alle anderen Kinder bereits zu anderen Zahlen weitergegangen waren, fuhr der Junge immer noch damit fort, die gleiche Ziffer zu schreiben. Nach zwei Tagen fragte ihn der Lehrer: „Bist du mit deiner Aufgabe nun fertig?“ Der Junge antwortet: „Nein, ich schreibe immer noch die Eins.“

Er schrieb so weiter, bis ihn der Lehrer am Ende der Woche wieder fragte: „Bist du nun fertig?“ Und der Junge antwortet: „Nein, ich bin immer noch nicht fertig.“ Der Lehrer hielt ihn für einen Idioten, der nicht lernen wollte oder es nicht konnte und schickte ihn nach Hause.

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Hazrat Kolumbus

Hazrat Inayat Khan und Christop Kolumbus teilen ein ähnliches Schicksal. Beide wurden lange Zeit in ihrem Bereich als ,Erster’ bezeichnet und sind eigentlich  jeweils wegen anderer Dinge wichtig. Bei beiden besteht inzwischen kein Zweifel, dass sie nicht ,Erste’ waren. Sie waren noch nicht mal ‚Zweite‘. Und es gibt eine Menge weiterer Parallelen.

Bei Kolumbus stellte sich inzwischen heraus, das Amerika weit vor ihm von Europäern ,entdeckt’ worden ist. Die Wikinger haben nachweislich lange vor Kolumbus Seereisen von Europa aus nach Amerika unternommen. Aber selbst wenn die Wikinger als ,Erste’ gelten sollten, offenbart sich damit nur der eurozentrische Blickwickel des Kolonialismus. Sowohl die Wikinger als auch Kolumbus trafen in Amerika auf Menschen. Diese sogenannten ,Indianer’ haben den Erdteil weit vorher entdeckt, denn sonst wären sie dort nicht angetroffen worden. Ihnen gebührt ohne Zweifel die ,Erstheit’, wenn es denn unbedingt eine geben muss.

Diese ,Erstheit’ hat tragischerweise die eigentliche Leistung von Kolumbus überlagert. Seine  großartige Leistung bestand eher darin, dass er entdeckte, dass es ein Windsystem gibt, das ihn von Ost nach West transportierte und umgekehrt. Eine Art Pater Noster, der für eine relativ problemlose Reise hin und zurück sorgt. Alle Atlantiküberquerungen nach Kolumbus stützen sich auf diese Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die danach perfektioniert wurde und letztendlich die Welt grundlegend veränderte.

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