Lebendiges Atmen

„Durch die Praxis des Dhikr (Erinnern Gottes) erwecken die Sufis bestimmte Zentren, die die Art und Weise steuern, wie der mind den Körper beeinflußt, und die sonst in einem schlummernden Zustand blieben … Wir erheben uns mittels des Atems wie mit einem Aufzug zu den höheren Ebenen der Existenz, halten uns dabei an dem Seil, das der physische Körper ist, fest und kehren wieder zum Erdgeschoß zurück.“ (Hazrat Inayat Khan – Spiritual Liberty)

Es sind überzeugende Berichte erhalten, aus denen hervorgeht, dass Hazrat Inayat Khan zu seinen Lebzeiten für „Neuanfänger“ unter seinen Schüler*innen / murids im ersten „Lehrjahr“ bei spirituellen Übungen (vazifa /vazaïf) ausschließlich auf Atemübungen setzte. Die Übungen mit den Namen Gottes (asma ul husna) erfolgten, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt der Schulung.

Den Zweck der Atemübungen vergleicht Hazrat Inayat Khan mit dem Aufziehen einer Uhr, die einmal aufgezogen, ohne Antrieb weiter laufe.  Es würden durch die Übungen im Körper Kanäle geöffnet und gereinigt. Beides sei eine Voraussetzung für eine erfolgreiche, weitergehende spirituelle Arbeit.

Weiterlesen

Begriffe sind Begriffe

Viele leitende Personen innerhalb von Neo-Sufischen Organisationen sehen keine abstammungsgeschichtliche Verbindung von Sufismus und Islam und behaupten, Sufi sein zu können, ohne eine Verbindung zum Islam haben zu müssen. Ihrer Meinung nach ist der Sufismus eine uralte Weisheit. Entgegen der meist üblichen Annahmen leiten sie den Begriff Sufismus vom griechischen Wort Sophia (Weisheit) ab. Eine Weisheit, die den Menschen bereits vor der Zeit der Religionen bekannt gewesen sei.

Es gibt LeiterInnen im Sufiorden Deutschland, die sich seit Jahren konsequent weigern,  auch nur das Wort „Allah“ oder irgendein anderes arabisches Wort in den Mund zu nehmen. Nur und allein die Worte des Ordensgründers Pir-o-Murshid Hazrat Inayat Khan sind für sie akzeptabel.

Weiterlesen

Einheit in der Vielheit

„Es gibt nicht Ödes, nichts Unfruchtbares, nichts Totes in der Welt, kein Chaos, keine Verwirrung, außer einer Scheinbaren, ungefähr wie sie in einem Teiche zu herrschen schiene, wenn man aus einiger Entfernung eine verworrene Bewegung und sozusagen ein Gewimmel von Fischen sähe, ohne die Fische selbst zu unterscheiden“ – Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie § 69

Der Sufismus / tasawwuf beinhaltet in sich selbst den Begriff und die Auffassung der Universalen Einheit. Diese Einheit wird in einem der ‚Gottesnamen‘ als al-wāḥid / الواحد (Der Eine) bezeichnet. Als Einheit gilt der / die/  das Eine, dass sich aus Seiner Gesamtheit zusammen setzt, so wie die Teile eines Puzzles in ihrer Gesamtheit das Bild ergeben. Der Qur’an, auf dem die Lehren des Sufismus / tasawwuf, wie wir in seiner Ausprägung seit dem siebten Jahrhundert westlicher Zeitrechnung kennen, beruhen und darin tief verwurzelt sind, gibt es dazu die Aussage, dass wir die Einheit nicht als ein undifferenziertes Etwas betrachten sollen. Dies würde im Grunde der Göttlichen Schöpfung widersprechen, denn: „3. ER hat den Menschen erschaffen. 4. ER hat ihn artikuliertes Denken und Reden gelehrt. (4. allamahu l-bayân)“ (Qur’an 55: 3/4). Im Qur’an wird hierfür der Ausdruck bayân verwendet. Dieser Begriff schliesst das geistige Vermögen ein, eine Sache oder auch eine Idee deutlich zu machen oder begrifflich unterscheiden zu können. Dies wird in ähnlicher Weise auch in der zweiten Sure, Vers 31 des Qur’ans betont. Die dortige Aussage: „und ER lehrte Adam die Namen aller Dinge…“ ist nicht absolut wörtlich zu nehmen, sondern schlußfolgernd als Fähigkeit zu logischer Begriffsbestimmung und begrifflichem Denken zu betrachten.

Weiterlesen